Science 269, 696-699 (1995); aus dem Englischen übersetzt von G.J. Feistner

Potentieller Mechanismus für die dauerhafte antiretrovirale Wirksamkeit der AZT-3TC Kombinationstherapie.

Brendan A. Larder, Sharan D. Kemp, P. Richard Harrigan

Antiviral Therapeutic Research Unit, Wellcome Research Laboratories,
Langley Court, Beckenham, Kent BR3 3BS, UK

Kombinationspräparate von antiretroviralen Medikamenten, die das Auftreten von drogenresistenten Mutanten des menschlichen Immunschwächevirus Typ 1 (HIV-1) entweder verhindern oder verzögern, werden dringend benötigt. Gegen 3'-Azidothymidin (AZT, zidovudine) resistente Mutanten wurden im Laborversuch wieder phänotypisch empfindlich, nachdem im viralen Enzym "Reverse Transcriptase" Aminosäure-184 zu Valin mutierte, was gleichzeitig Resistenz zu (-)2'-Deoxy-3'-thiacytidin (3TC) induzierte. Weiterhin wurde in ausgedehnten in vitro Selektionen mit beiden Medikamenten keine Co-Resistenz gegenüber AZT-3TC beobachtet. Die in vivo AZT-3TC-Kombinationstherapie führte zu einer deutlich größeren Abnahme an HIV-1-RNA-Serumkonzentrationen als mit AZT alleine; allerdings tauchten sehr schnell Val184-Mutanten auf. In Übereinstimmung mit den in vitro Mutationsstudien blieben die meisten Proben, die bei der Kombinationsgruppe gezogen wurden, auch noch nach 24 Wochen AZT-empfindlich.

Die heutzutage übliche Behandlung einer HIV-1-Infektion mittels einzelner antiretroviraler Medikamente ist nur von kurzem Erfolg begleitet. Unter den wahrscheinlichen Gründen für diesen begrenzten Nutzen ist das Auftreten von drogenresistenten Stämmen im Verlaufe einer Monotherapie zu nennen [1]. Kombinationspräparate, die HIV-1 Replikation effektiver unterdrücken und das Auftreten von Drogenresistenz verzögern, werden daher dringend gebraucht. Die Kriterien, die bei der Auswahl von Kombinationspräparaten angewandt werden, sind das Fehlen von Kreuzresistenz, nicht-überlappende Toxizitätsprofile und in vitro Synergismus. Zusätzlich ist es unter Umständen möglich, "Resistenzunterdrückungs"-Mutationen auszunutzen, um die Entwicklung von Co-Resistenz gegenüber den Inhibitoren zu verhindern oder zu verzögern [2]. Letzteres Phänomen ist hier bei Studien über die Kombination von AZT und 3TC untersucht worden. Beide Medikamente sind Nukleosid-Analoga, deren Triphosphat-Derivate Reverse Transcriptase (RT) von HIV-1 hemmen; Resistenz entsteht durch Mutation dieses viralen Enzyms [1, 2]. Obgleich AZT-resistente Stämme im Anfangsstadium der Krankheit nur langsam auftreten, entwickeln sie sich in Individuen mit fortgeschrittener Krankheit innerhalb von nur 6 bis 12 Monaten [3, 4]. HIV-1 wird allmählich resistent gegenüber AZT durch die stufenweise Anhäufung von wenigstens vier von fünf spezifischen Mutationen in RT (in Codons 41, 67, 70, 215 und 219) [5], wobei bestimmte Mutationskombinationen häufiger auftreten als andere (zum Beispiel Leu41-Tyr215, Leu41-Asn67-Arg70-Tyr215 und Asn67-Arg70-Phe215-Gln219). Im Gegensatz zu AZT führt die Monotherapie mit 3TC zum schnellen Auftreten eines hochvirulenten Virus [6]. In vitro Auswahlexperimente und gezielte Mutagenese haben gezeigt, daß eine einzige Mutation im RT-Codon 184, welche zur Substitution von Val oder Ile anstelle von Met führt [7, 8], als Ergebnis einen mehr als fünfhundertfachen Anstieg der Resistenz gegenüber 3TC zur Folge hat.